ALEXANDRA

Sei doch z‘frieden! – So a Schmarrn!“

Wenn man mich heute sieht, dann denken viele wahrscheinlich: „Die ist auf die Butterseite gefallen.“ So war es aber bei Weitem nicht. Ich hatte ein „klassisches“ Frauen*leben. Mit Höhen, Tiefen und Brüchen. Und ich kenne fast keine Frau*, deren Leben ohne Brüche verlaufen ist.

Alexandra

Nach der Volksschule wurde ich, weil ich ein Mädchen war, in die Hauptschule geschickt, während mein jüngerer Bruder später ins Gymnasium gehen konnte. Das habe ich immer als sehr ungerechte Entscheidung meiner Eltern empfunden. Ich bin dann sehr früh allein nach Wien gegangen, in eine höhere Schule für Mode und Textiles, denn ich wollte weg aus unserer traditionellen Großfamilie. Danach wollte ich noch IT studieren, aber ein Kollege hat mir abgeraten: „Mädele, bis du fertig bist, programmieren sich die Computer selber.“ Hätte ich bloß nicht auf ihn gehört! Ich habe dann eine Ausbildung in der Textilchemie gemacht.

Reden, nicht schweigen

Leider habe ich definitiv den falschen Mann geheiratet. Ich musste in meiner Beziehung auch Gewalt erfahren. Dadurch, dass ich mich sehr stark um unser Kind kümmern musste, gab es ein Machtgefälle zwischen uns, das irgendwann gefährlich wurde. Dass ich aus dieser Situation herausgekommen bin, verdanke ich auch meinen Eltern. Sie haben irgendwann gesagt: „Es reicht. Wir helfen dir, aber er muss weg.“

Als die Beziehung in die Brüche gegangen ist, war ich plötzlich Alleinerzieherin eines Kindes mit Handicap. Nach der Scheidung habe ich mich für ein berufsbegleitendes Studium entschieden, um meine finanzielle Unabhängigkeit abzusichern. Zuerst habe ich dann lange in Teilzeit gearbeitet, nur so war auch die Kinderbetreuung möglich. Dass mein Kind heute eine selbständige und selbstbewusste Person ist, hat viel Energie gebraucht, und ich bin unglaublich stolz darauf.

Durch die gläserne Decke

Ich war beruflich immer mehr in sogenannten „Männerdomänen“ tätig, habe mich immer weitergebildet, mich hochgearbeitet – aber irgendwann kam die gläserne Decke. Da habe ich gekündigt. Die Leute haben gesagt: „Warum schmeißt du so einen guten Job hin, nach 10 Jahren? Sei doch z’frieden!“ – So ein Schmarrn! Ich musste es aushalten, erst mal in der Luft zu hängen. Ich wusste nicht, wie es weitergeht. Dann bin ich zu einem internationalen Konzern gekommen, dort blieb ich, bis meine Mutter ein Pflegefall wurde. Ich habe die Hospiz-Ausbildung gemacht, denn ich wollte sie auf diesem letzten Weg möglichst gut begleiten können.

In meinem nächsten Job habe ich mich um die Geschäftsführung beworben. Von 80 Bewerbungen war ich die einzige Frau. Heute bin ich Geschäftsführerin und Parlamentarierin. Wenn du als Frau* nach oben willst, das ist nicht einfach. Du wirst ständig gebremst und unten gehalten, da braucht man eine sehr dicke Haut. Darum bin ich für eine Quotenregelung, denn nur wenn Frauen* in Führungspositionen sitzen, ändert sich was. Unter meiner Geschäftsführung haben wir in unseren Teams mehr Geschlechterbalance hergestellt.

Das Kraftgefühl des Gelingens

Mich motiviert es, wenn meine Mitarbeiter:innen zufrieden sind. Und wenn etwas nicht gut läuft, dann müssen wir darüber sprechen. Darum habe ich auch Kontakt zu Frauen* im Brennpunkt und dem Projekt Be Aware aufgenommen. Teilweise gibt es natürlich alte, weiße Herren, die sich lustig machen über mich – „die mit ihrer Fraueng’schicht.“ Aber das halte ich aus. Heute müssen mich nicht alle mögen, und das ist in Ordnung. Und respektiert wird im Büro die Person, die Nein sagt. Die nicht immer freiwillig das Protokoll schreibt. Wir müssen uns selbst verändern, anstatt die Veränderung von anderen zu fordern.

Seit ich in den Wechseljahren bin, habe ich das Gefühl, viel mehr Testosteron in mir zu haben, und das fühlt sich super an. Man ist so frei wie noch nie, und trotzdem eine Voll-Frau. Die beste Kombination, die man sich wünschen kann! Keine Frau muss sich vor dem Wechsel fürchten (lacht).

Ich sage es, wie es ist: Ich liebe Erfolg und arbeite wahnsinnig gern. Manche fragen mich: „Warum tust du dir das an?“ Ich sehe das aber anders: Ich beschenke mich. Meine Mutter hat immer gesagt: Das Ziel ist das Kraftgefühl des Gelingens. Und genau so geht es mir, wenn ich hart für etwas arbeite.

Was ich Frauen* wünsche

Ich wünsche Frauen* mehr Mut. Mut, zu sein, wer sie sind, ohne sich zu verstellen. Mut, zu sprechen, anstatt zu schweigen. Und Mut, sich Hilfe zu holen. Man muss nicht alles allein schaffen, egal ob privat oder beruflich. Man muss sich dafür nicht schämen.

Gleichberechtigung schaffen wir nur gemeinsam mit Männern*, nicht gegen sie. Hier müssen alle an einem Strang ziehen. Ich sehe zum Beispiel in meinem Beruf, dass immer mehr Männer* in Karenz gehen und ihnen Familienzeit sehr wichtig ist. Die neuen Generationen machen mir Hoffnung. Hier kenne ich viele Personen, die alle Geschlechter als ebenbürtig ansehen. Wir müssen allerdings aufpassen, dass die Pandemie uns hier nicht einen großen Schritt zurückwirft.

Februar 2022

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