„Wie wäre es mit einem Boykott? Frauen gehen nicht mehr arbeiten, bis sie gleich viel verdienen.“
Wie ich zu der wurde, die ich bin
Geboren bin ich am 12. Mai 1992 und in einer großen Familie aufgewachsen, eine von 6 Geschwistern. Drei davon sind meine Halbgeschwister, denn ich bin ein Scheidungskind. Meine Eltern haben sich scheiden lassen, da war ich zehn. Das war nicht immer ganz so einfach für mich. Was mich immer geprägt hat, was mich ausmacht, das ist auch immer schon so gewesen, das ist dieser Gerechtigkeitssinn. Schon seit meiner Kindheit, es war mir immer wichtig auf Ungerechtigkeit hinzuweisen. Deswegen auch mein Studium, der Master in Erziehungs- und Bildungswissenschaft, das ist einer der Studiengänge, der wirklich zu mir passt. Er passt zu meinen Vorstellungen und zu meiner Persönlichkeit.
Migrationspädagogik war was mich schon vor dem Studium interessiert hat, da habe ich auch schon Volontariate gemacht. Den Menschen, die es nicht so einfach im Leben haben, aus welchem Grund auch immer, will ich Hilfe sein. Das wollte ich mit meinem Studium befestigen, durch meine Professionalisierung erwerben und dann umsetzen. Unterstützend, eine helfende Hand will ich sein.
Mich für Gerechtigkeit einsetzen
Woher dieser Gerechtigkeitssinn kommt? Ich glaube das hat damit zu tun, was mein Papa mir immer vermittelt hat. Er ist ein sehr toleranter Mensch. Ihm war immer wichtig, dass Menschen gleichbehandelt werden, dass ich, dass seine Kinder sich für Gerechtigkeit einsetzen sollen. Dass wir Zivilcourage zeigen, nicht wegschauen, wenn Probleme auftauchen, sondern hinschauen und intervenieren.
Mein Papa hat mir sehr viel mitgegeben um die Person zu werden, die ich heute bin. Sei es auch was mein Studium angeht, da hat er mich auch immer unterstützt. Er hat uns immer die Freiheit gelassen das zu tun was wir wollen. Oft ist es bei Studierenden mit Migrationshintergrund so, dass die Eltern Vorstellungen haben, was die Kinder machen sollen, zum Beispiel Jus oder Medizin. Mein Papa hat mir und meiner Schwester immer gesagt. Nein, ihr macht das was euch gefällt. Meine Schwester hat Journalismus gemacht, da waren wir gerade in London bei ihrer Sponsion. Er wollte immer, dass seine Töchter emanzipierte junge Frauen werden, die selbstbestimmt sind; selbstbewusst sind, sich nicht unterdrücken lassen, von wem auch immer. Das war ihm immer wichtig. Und das ist mir auf jeden Fall jetzt auch wichtig.
Die Freiheit selbst entscheiden zu können
Bildung ist meines Erachtens der Kern für ein selbstbestimmtes und freies Leben. Bildung bedeutet Emanzipation und die Freiheit Entscheidungen selbst treffen zu können. Und ich finde auch, dass durch Bildung Wege eröffnet werden; neue, die jeder und jede individuell gehen kann.
Vom Mentoringprogramm Einsteigen – Aufsteigen bin ich sehr begeistert gewesen und bin es immer noch. Ich finde es ist für uns Studentinnen ein Sprungbrett für unsere berufliche Entwicklung. Dass wir später mal in einer Leitungsposition arbeiten können, dafür ist es eine gute Basis. Mir hilft das Mentoring in vielerlei Hinsicht. Dank meiner Mentorin habe ich ein Projekt initiiert. Sie hat mir konkrete Anlaufstellen genannt, wohin ich mich wenden kann.
Ich erlebe meine Mentorin als eine emanzipierte Frau mit einer sehr starken Persönlichkeit. Sie ist eine ehrgeizige, humorvolle, sympathische und hilfsbereite Frau. Hätte ich sie nicht kennengelernt, ich hätte gewisse Skills nicht erworben. Sie hat mir Mut gemacht dieses Solidaritätsprojekt in die Tat umzusetzen. Dabei geht es um geflüchtete Menschen auf der Insel Lesbos in Griechenland. Viele NGOs (Nichtregierungsorganisationen) setzen sich vor Ort für die Menschen mit medizinischer, psychosozialer Hilfe, etc. ein. Und eine der NGOs hat nach Unterstützung und Sichtbarwerden gefragt. Es ging dabei darum in verschiedensten Orten in Europa Menschen auf den Straßen zu mobilisieren, sie zu gewinnen sich mit einem Hinweisschild fotografieren zu lassen.
Ich dachte mir, das können wir in Innsbruck auch machen!
Und nach erfolgreicher Veranstaltungsanmeldung habe ich mich zum Landesmuseum gestellt, mit einer Pinnwand und Infos zur Situation geflüchteter Menschen auf Lesbos und der Unterstützung der NGOs vor Ort. Und ich war begeistert und total froh über die Bereitschaft der Menschen in Innsbruck. Alt und Jung haben mitgemacht und gesagt: Sicher mach ma da a Foto. Ist ja auch eine Ungerechtigkeit, die da stattfindet. Und so sind über 100 Fotos entstanden von Personen, die auch ein Stückweit Zivilcourage zeigen. Ich habe die Bilder in einen Film verwandelt und ihn auf den Sozialen Medien geteilt. Sichtbar werden, hinschauen, mitmachen.
Ich bin in Österreich geboren und aufgewachsen und eine junge Frau mit türkisch-kurdischem Migrationshintergrund. Migrationspädagogik interessiert mich besonders, weil ich ein Mensch mit starkem Gerechtigkeitssinn bin. Menschen mit Migrationshintergrund und ggf. auch Fluchterfahrung haben es nicht so einfach wie andere in der Gesellschaft. Deswegen möchte ich mit Menschen arbeiten, sie auf ihren Bildungswegen begleiten und ihnen mit-ermöglichen vollwertige Mitglieder unserer Gesellschaft zu sein. Für meine berufliche Zukunft sehe ich meine Erfahrungen und Biographie, meine Mehrsprachigkeit, als Chance und Mehrwert, um mit potentiellen Klientinnen und Klienten zu arbeiten.
Was ich mir für Frauen wünsche
Ich will auf jeden Fall, ich erhoffe mir, dass Frauen in unserer Gesellschaft, die noch häufiger von struktureller Gewalt betroffen sind, noch selbstbewusster werden, offener werden und sich für ihre Rechte einsetzen. Wie machen sie das? Sie sollen ihre Stimmen erheben. Dieser Kampf geht schon lange an. Ökonomische Gewalt! Gewalt an sich. Ich kenne die Lösung nicht, allerdings denke ich, wenn Frauen weiter ihre Stimmen erheben, sich nichts gefallen lassen, dann wird sich was ändern. Wie wäre es mit einem Boykott? Frauen gehen nicht mehr arbeiten bis sie endlich gleich viel verdienen.
Bildung ist meines Erachtens der Kern für ein selbstbestimmtes und freies Leben.
Dilan hat als Mentee in unserem Mentoringprogramm Einsteigen – Aufsteigen für Masterstudentinnen* 2019/20 teilgenommen. Mehr Informationen zum Programm gibt es hier.