MARIA-LUISE

„Mama, du kannst deine Geschichte schon erzählen!“

Meine Geschichte

Meine Geschichte beginnt im Großen und Ganzen damit, dass ich als viertes von sechs Kindern geboren wurde. In einer kinderreichen Familie aufzuwachsen bedeutete für mich, viel Kinderzeit zu erleben. So wuchs ich schon allein durch meine Geschwister stets umgeben von Kindern auf. Ich absolvierte einen mittleren Schulabschluss, heiratete sehr jung und bekam eigene Kinder.

Was ich wusste, damals vor knapp 30 Jahren war, dass ich in den ersten Jahren bei meinen Kindern sein wollte. Was ich nicht wusste: Wo will ich überhaupt hin? Was will ich erreichen? Über ein Inserat bewarb ich mich und wurde Tagesmutter. Zehn Jahre lang hatte ich somit die Möglichkeit neben meinen eigenen Kindern weitere Kinder, bei uns zu Hause, zu betreuen.

Was darauf folgte: Der Wunsch nach Veränderung. Dieser ließ mich hellhörig sein und der Zufall ergab, dass ich als Vertretung in der damaligen Spielgruppe Zugspitzzwerge mitarbeiten konnte. Eine Kollegin hörte auf und manchmal im Leben, da spüre ich: das will ich! Den dazugehörigen Mut hatte ich damals auch.

Zeiten der Veränderung

Allerdings folgte die Erkenntnis: Ich brauche Weiterbildung. Ohne spezifische Ausbildung kam im Alltag eine Unzufriedenheit in mir auf. Der Früherziehungslehrgang vom Land Tirol – es war der erste dieser Art – ermöglichte mir die Ausbildung zur Früherzieherin. Nach Abschluss dieser Ausbildung konnte die Spielgruppe in Ehrwald in eine Kinderkrippe umgewandelt werden.

Diese Zeit fühlt sich rückwirkend an wie ein Spagat: Ausbildung, eine dritte Tochter, die wir bekommen haben und ein außerhäuslicher Beruf. Weshalb es mir gelungen ist? Privat, weil wir als Familie an einem Strang gezogen haben. Meine Familie, mein Mann, haben mich darin unterstützt, das zu tun, worin ich aufging und immer noch aufgehe. Insgesamt war es eine Zeit, in der sich ein gewisser Strukturwandel vollzogen hat, in der der Zugang zum Beruf der Früherzieherin ausgeweitet wurde. Es war damals viel im Aufbau. Heute wäre dieser Weg so nicht mehr denkbar. Damals hat viel genau gepasst.

Es tut sich was!

Dass sich in der Elementarpädagogik was tut, davon bin ich begeistert. Die Entscheidung für den Beruf mit rund 14 Jahren, das finde ich zu früh. Meine Mama hätte mir damals sogar vorgeschlagen, Kindergartenpädagogin zu werden. Allerdings hat es dafür bei mir eben länger gedauert. Ich hatte erst durch die Erfahrungen als Tagesmutter das Gefühl, da bringt mich was weiter, ich habe etwas gefunden, das mir richtig gefällt, worin ich aufgehe! Und so folgte auch der Leitungslehrgang.

Über zehn Jahre bin ich mittlerweile auch schon die Leiterin der Kinderkrippe. Ich bin eine Spätberufene, und der Job ist meine Berufung, das spüre ich. Nach all der Zeit ist das so. Das Beziehungsdreieck mit Eltern und Kindern, das fasziniert mich. Ich weiß, dass ich mit meinem Wissen und meinen Erfahrungen den Eltern etwas weitergeben kann.

Wir sind Expertinnen und Experten für die Altersgruppe der eineinhalb bis dreijährigen Kinder. Die Erfahrung macht uns reich und trotzdem gibt es auch für uns immer wieder Überraschungen. Wir sind Vorbilder. Ich empfinde es als besonders wichtig, Kindern Zeit zu lassen. Kinder verstehen meist viel mehr als wir denken.

In meinem Job sehe ich meine Aufgabe darin, mein erworbenes Wissen zurück in die Gesellschaft zu tragen. Kinder begreifen – eben in dem sie angreifen und erfahren. Für mich ist das so zentral. So sehe ich das auch: Es gilt für mich Dinge auszuprobieren. In meiner Leitungsposition ist das von großer Bedeutung. Und es gefällt mir auch, denn ich spüre immer wieder, es tut sich was!

Juli 2019

Maria-Luise

Möglichkeiten aufzeigen und Türen öffnen

In Bezug auf unsere eigenen Kinder, das habe ich auch mit meinem Mann rückwirkend und rückblickend diskutiert. Von unseren beiden erwachsenen Töchtern hat eine ihr Studium bereits absolviert und die zweite ist noch dran. In Wien und Graz, nicht unmittelbar um die Ecke in Innsbruck, haben sie studiert. Unsere Jüngste arbeitet auf die Matura hin. Was haben wir gemacht?  Wir haben ihnen Türen geöffnet. Als Eltern können wir öffnen und zeigen oder einen Blick in die Weite verwehren.

Uns war wichtig, dass unsere Töchter ihre eigenen Entscheidungen treffen. Alle drei wissen, sie können mit uns rechnen und auf uns zählen. Und sie sollten für sich herausfinden, was ihnen Freude macht, um so Erfüllung in ihren Berufen – als Kunsthistorikerin und Lehrerin der Sekundarstufe – zu finden. Bildung bedeutet für mich, wissen was du willst, dir deine Meinung bilden, diskutieren und kritisch hinterfragen. Als ich gefragt wurde, ob ich für ein Interview zur Verfügung stehe, da hat meine Tochter gesagt:

„Klar Mama, du kannst deine Geschichte schon erzählen!“

Frau sein

Ich bin gerne Frau. Fühle mich stark und selbstbewusst und auch mal emotional. Gefühle zeigen, das gehört zum Frausein und zum Mannsein. Ja, ich bin gern Frau, ich bin’s gern. Meine Mutter hat mir viel vorgelebt. Sie ist eine Inspiration für mich, wie viele starke Frauen. Überhaupt gibt es so viele starke Frauen. Spannende Persönlichkeiten, die strahlen und motivieren. Frauen, mit denen ich in ein gutes Gespräch komme, von denen kann ich etwas mitnehmen.

Auch im Verein Frauen im Brennpunkt habe ich Powerfrauen erlebt. Ich wurde gepusht im Sinne von „Mach das doch!“ Ich fühle mich wertgeschätzt und das ermöglicht mir, dahin zu gehen, wo andere vielleicht denken, das kann sie doch nicht. Vorbilder haben mir gezeigt, dass ich es weit schaffen kann. Ich bin da, wo ich sein will. Ein Weg, der mir nicht immer so klar war, der auch nicht immer der direkteste war.

Dieser Beitrag ist im Rahmen eines Interviews von Frauen im Brennpunkt mit Maria-Luise Razenberger, Leiterin der Kinderkrippe Zugspitzzwerge, entstanden. 

Skip to content