RINA

„Frauen* waren immer Teil des Krieges, und Männer* waren schon immer Teil des Friedens.“

(c) Josh Sampiero 2021

Ich habe nicht nur einen Migrationshintergrund, sondern auch eine lange Migrationsreise hinter mir. Ich denke, meine Geschichte ist einer der Gründe, warum ich in der Friedensforschung tätig bin. Ich bin halb indisch und halb philippinisch. Ich wurde in Mumbai geboren, bin aber hauptsächlich in Nigeria aufgewachsen. Meine Kindheit verbrachte ich auf dem afrikanischen Kontinent, wo ich bei asiatischen Eltern aufwuchs, die im Bereich der agrarwissenschaftlichen Forschung tätig waren. Mein Vater stammt aus einer eher konservativen Hindu-Familie, die Familie meiner Mutter ist römisch-katholisch. In der Familie meines Vaters ist es bis heute üblich, arrangierte Ehen zu schließen, in der Familie meiner Mutter werden normalerweise nur andere Filipinos geheiratet. Aber irgendwie haben meine Eltern zueinander gefunden.

Ich bin in einem sehr vielfältigen, internationalen Umfeld aufgewachsen, umgeben von Menschen aus allen möglichen Kulturen, Religionen, Nationalitäten usw. Auch später in meinem Leben habe ich immer nach einem vielfältigen, multikulturellen Umfeld gesucht und in verschiedenen Ländern gelebt. Nachdem ich viele Jahre in Kanada, der Schweiz und anderen Ländern verbracht habe, lebe ich seit 4 Jahren mit meinem Partner und meinen beiden Töchtern in Österreich. Derzeit bin ich Leiterin der Abteilung für Peace and Conflict Studies an der Universität Innsbruck.

Das Recht auf Bildung

Meine Eltern stammten beide aus eher konservativen Familien. Meine Mutter durfte als Kind nicht Fahrrad fahren, weil sie ein Mädchen war. Aber interessanterweise wurde es in beiden Familien meiner Eltern als wichtig angesehen, dass sowohl Jungen als auch Mädchen eine Ausbildung erhalten. Ich habe gelernt, dass eine Frau* ein Recht darauf hat, eine Ausbildung zu machen, egal in welchem Bereich. Und selbst wenn man keinen bestimmten Beruf ergreift, sondern sich dafür entscheidet, Vollzeit-Mutter zu sein, kann einem das niemand mehr wegnehmen. Bildung dient nicht unbedingt nur dem Aufbau einer Karriere, sondern auch der eigenen Entwicklung und der Entwicklung von Wissen und Bewusstsein.

Meine Mutter musste viele Herausforderungen meistern: Sie heiratete einen Mann aus einem anderen Land, zog ihre Kinder auf einem anderen Kontinent auf und arbeitete auch dort. Sie war eine der ersten Ehepartnerinnen von internationalen Wissenschaftlern in Nigeria, die eine Arbeitserlaubnis beantragten. Zu dieser Zeit war das nicht erlaubt und galt nicht als normal. Und als berufstätige Mutter musste sie ihre Rolle gegenüber der Familie immer an erste Stelle setzen. In mancher Hinsicht haben sich die Dinge geändert, aber nicht vollständig. Ich habe jetzt zwei Töchter und erlebe die verschiedenen Seiten des Lebens einer berufstätigen Mutter, die ihre Kinder nicht immer um ein oder vier Uhr nachmittags abholen kann. In unserer Gesellschaft haben wir das Recht auf Bildung und Karriere erreicht, aber sehr oft unterstützen die Strukturen der Institutionen dieses Recht noch nicht. Für mich als Woman* of Color in der Wissenschaft, die immer noch eine sehr heteronormative, patriarchalische, von weißen Männern geführte Institution ist, ist das definitiv eine Herausforderung, der ich mich stellen muss. Auch als Ausländerin in Österreich zu sein, kann eine ziemliche Herausforderung sein.

Umgang mit Multikulturalität

Die größte Herausforderung für mich ist es, meinen Töchtern etwas über ihre Herkunft und ihr Wurzeln beizubringen, über die Kulturen, aus denen sie kommen, z. B. in Bezug auf Essen, Sprache und Traditionen, und gleichzeitig der Kultur, von der sie jetzt umgeben sind, Raum zu geben. Ich versuche auch, ihnen etwas über Rassen und Rassismus beizubringen, damit sie verstehen, dass sie gemischter Abstammung sind und dass daran nichts falsch ist. Manche Leute fragen vielleicht: „Warum erklärst du deinen Kindern, was Rassen sind? Besser, sie kennen den Begriff einfach gar nicht.“ Aber so wie man ihnen etwas über Konflikte und Frieden beibringen sollte, über Dinge, die es gibt und die relevant sind, so müssen wir ihnen auch etwas über Rasse als soziales Konstrukt beibringen, da dies die Realität unserer Gesellschaften ist.

„Mama, warum gibt es Krieg?“

Meine fünfjährige Tochter fragte mich kürzlich: „Warum gibt es Krieg?“ Ich versuchte ihr zu erklären, dass es um Land und Territorium geht, das einige Länder für sich beanspruchen und andere Länder nicht aufgeben wollen. Und das führt oft zu Konflikten, weil sie sich nicht einigen können, wer es regieren darf, wer entscheiden darf, welche Sprache die Menschen dort sprechen sollen, welche Kultur sie unterstützen dürfen. Das ist natürlich eine vereinfachte Antwort. Aber es ist wichtig, dass Kinder eine Ahnung davon bekommen, was in der Welt passiert, auch wenn man wahrscheinlich nicht alle ihre Fragen beantworten kann. Es ist sehr wichtig, Kindern Konflikte zu erklären, aber wir müssen Wege und eine Sprache finden, die nicht darauf abzielt, ihnen Angst oder Furcht einzuflößen. Sie sollten nicht das Gefühl bekommen, dass sie gerade in Gefahr sind.

In früheren Generationen wurde in den Familien auf unterschiedliche Art und Weise über den Krieg und seine Bedeutung gesprochen, je nachdem, wie sehr sie damit konfrontiert waren. Ich denke, es ist wichtig, Kindern zu erklären, dass es Krieg gibt, dass es Menschen gibt, die leiden, aber ihnen auch zu zeigen, dass wir den Frieden, in dem wir leben, schätzen müssen. Wenn man erklärt, dass es Kinder gibt, die kein Spielzeug oder keine Schuhe haben, ist es meiner Meinung nach wichtig, auch zu sagen, dass diese Kinder trotzdem etwas anderes haben: Würde und Menschlichkeit! Dass man sie nicht nur bemitleiden, sondern auch als menschliche Wesen wertschätzen sollte. Und natürlich sollten wir Wege finden, diese Menschen zu unterstützen, je nach unseren Möglichkeiten.

Frauen* und Männer*, Konflikte und Frieden

Für mich ist es wichtig, anzuerkennen, dass Konflikte völlig normal und bis zu einem gewissen Grad auch gesund sind. Kinder erleben in ihrem Umfeld ständig Konflikte, mit anderen Kindern, mit ihren Eltern, aber auch mit sich selbst. Das ist sehr menschlich, genau wie der Frieden. Manchmal haben wir das Gefühl, dass der Frieden in der Welt nicht erreicht werden kann, aber gleichzeitig umgibt er uns in vielerlei Hinsicht. Sowohl Frieden als auch Konflikte sind immer Teil unseres Lebens. Leider sind Gewalt und Grausamkeiten natürlich eine sehr intensive Form des Konflikts und wurden im Laufe der Menschheitsgeschichte auch immer wieder begangen. Ich hoffe, dass wir eine Phase der Menschheit erreichen, in der es das nicht mehr gibt, und gleichzeitig geht es mehr um die Frage, wie wir uns entscheiden, mit solchen Geschehnissen umzugehen, über sie zu sprechen, anstatt sie zu vertuschen und so zu tun, als ob sie nicht geschehen wären.

Es gibt diese historische Annahme, dass Frauen* friedlich und Männer* kriegerisch sind, auch in Mythologien auf der ganzen Welt, und es gibt eine Menge Forschung darüber. Wir müssen erkennen, dass wir alle beide Potentiale in uns haben – Frieden zu schaffen ebenso wie Konflikte, anstatt anzunehmen, dass Frauen das eine und Männer das andere tun. Frauen* waren auch immer Teil des Krieges, und Männer* waren auch schon immer Teil des Friedens.

Die Gleichstellung der Geschlechter ist noch nicht erreicht, zumindest nicht für alle und nicht überall. Ich wünsche mir für Frauen* Selbstbestimmung. Dass sie wählen können, wie sie leben, sich kleiden und ihr Leben führen. Dass sie selbst bestimmen, was ihr Frau*sein bedeutet und wie es aussieht. Mir steht es nicht zu, andere Frauen* für die Entscheidungen, die sie treffen, zu verurteilen.

April 2022

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