„Gleichstellung sollte eine Selbstverständlichkeit sein.“

Ich habe Internationale Wirtschaftswissenschaften in Innsbruck studiert und danach bald in der Unternehmensberatung begonnen. Die projektbezogene Arbeit, der Austausch mit vielen verschiedenen Menschen und die Möglichkeit, immer Neues dazuzulernen, haben mich von Anfang an fasziniert.
Und dann kamen die Kinder.
Mit der Geburt meines ersten Kindes war für mich klar, dass ich mich nun schwerpunktmäßig der Familie widme und die Berufswelt nach hinten rückt. Auch wenn ich meine Arbeit mag, sie inspiriert mich, ist sozusagen „Brainfood“. Ich schätze die damit zusammenhängende Eigenständigkeit: So fühle ich mich unabhängig, nicht nur finanziell, sondern auch geistig. Aber in dieser Phase war es mir wichtig, für die Kinder da zu sein, vor allem in der kurzen Zeit, in der sie so klein sind.
Für mich war Familie und Arbeit nie ein entweder – oder.
Ich bin dankbar, dass mir beides möglich ist: meine Arbeit zu machen und für meine Kinder da zu sein. Im Alter von 12-18 Monaten waren sie für einige Stunden bei einer Tagesmutter, später in der Kinderkrippe und dann kam der Kindergarten. Schritt für Schritt sind so wieder die ersten Freiräume entstanden, die ich mit Arbeit füllen wollte. Ich habe meine Arbeit immer mit Leidenschaft gemacht und deshalb fiel es mir vermutlich vergleichsweise leicht, beides unter einen Hut zu bekommen, auch wenn das oft sehr intensiv war.
Heute bin ich froh, dass ich die Arbeit rasch wieder aufgenommen habe. Ein Wiedereinstieg nach einigen Jahren ist mit Sicherheit schwieriger, da man sich wieder einarbeiten muss. Dafür muss man sich doppelt anstrengen. Bei mir hingegen waren diese Übergänge stets fließend.
Kurz nach den zwei Kindern kam mein drittes „Baby“ – das Start-Up WANU.
Mein Mann hatte Jahre zuvor in der Republik Moldau eine Walnussplantage ins Leben gerufen, um für Familien vor Ort Arbeitsplätze zu schaffen. Als die erste Ernte kam, entstand die Idee, diese selbst zu vermarkten, um die sozialen Gedanken besser transportieren zu können. Das musste ganz neu aufgebaut werden, das lag zu 100% in meiner Verantwortung: Themenwissen aufbauen, Positionierung, Produktentwicklung, Webshop, Packaging, Marktbearbeitung – alles neu und unzählige Details. Gleichzeitig waren die Kinder zu dem Zeitpunkt noch klein und die Eingewöhnung in die Krippe war schwierig. Das war keine leichte Zeit, aber wir haben es geschafft.
Selbstständigkeit und Mutter – beides geht nur 24/7
Selbstständig zu sein neben den Kindern ist mehr als eine Doppelbelastung. Da ist die Arbeit, die Kinder, der Haushalt. Da sind Kinderarztbesuche, Kindergeburtstage, die vielen Hobbies der Kinder und spätestens im Frühjahr die Frage: Wie organisiere ich dieses Jahr die Sommerbetreuung? Jetzt waren wir ja beide selbständig – mein Mann in seinem Beruf und ich mit WANU. Das war eine echte Herausforderung. Auf der eine Seite ist man als Selbständige zeitlich flexibel, auf der anderen Seite hört die Arbeit nicht auf.
Die Kinderbetreuung ist da essenziell, insbesondere wenn man – so wie ich – keine Familie in der Nähe hat. Mir war aber immer wichtig, dass sie sich in der Betreuung wohl fühlen, damit ich mich vormittags voll auf die Arbeit konzentrieren kann. Es ist mir auch wichtig zu sagen, dass ich meine Arbeit nicht als Belastung empfinde, sondern als Ausgleich, eine dankbare Abwechslung.
Aufteilung der Care-Arbeit als Herausforderung
Trotzdem stand bei uns nie zur Debatte, dass wir uns die Care-Arbeit aufteilen. Mein Mann war seit jeher selbstständig und hatte ein Unternehmen zu führen. Auch wenn er mich unterstützt, wo es nur geht, lag der Großteil der Kinderbetreuung bei mir.
Da wünsche ich mir oft andere Lösungen – nicht für uns als Familie, sondern in der ganzen Gesellschaft. Care-Arbeit lastet in unserer Gesellschaft meistens auf den Frauen*. Es mangelt an institutionellen Einrichtungen wie Ganztagsbetreuung, an kulturell-gesellschaftlicher Offenheit in Bezug auf das traditionelle Rollenverständnis und an Möglichkeiten der Kinderbetreuung in Unternehmen und Organisationen. Das Thema Beruf und Familie lässt sich nur im Zusammenspiel bewältigen.
Was ich mir wünsche
Ich wünsche mir ein anderes Rollenverständnis, in dem Frauen* selbstbestimmter und selbstwirksamer werden und gleichberechtigte Kinderbetreuung für Männer normal ist. Ich wünsche mir eine offenere Haltung in Gesellschaft und Politik.
Die Möglichkeit für eine kompetente Kinderbetreuung für alle ist ein Muss. Das Berufsbild der Kinderpädagog:innen benötigt weit mehr Wertschätzung und bessere Bezahlung. Für Unternehmen sollte es selbstverständlich sein, dass Männer* in Elternzeit oder Teilzeit gehen oder dass betriebliche Kinderbetreuung vorhanden sind.
Wenn sich etwas ändern soll, dann muss sich das gesamte System verändern.
März 2025