Stephanie

„Rückschritte können immer passieren.

Dessen muss man sich bewusst sein.“

Ich stamme aus einem kleinen Dorf im Südtiroler Vinschgau, bin in sehr behüteten Familienverhältnissen aufgewachsen. Mein Opa war der erste Mann, der mit dem Kinderwagen durch unser Tausend-Seelen-Dorf gefahren ist. Die Männer im Dorf haben ganz schön blöd geschaut, weil das ja Frauenarbeit war. Er hat das aber gern gemacht und war stolz darauf.

Stephanie Porträt
(c) Florian Lechner

Die Bedeutung von Gleichberechtigung

Mit 16 Jahren konnte ich für ein Schuljahr in die USA gehen. Das war eine sehr prägende Erfahrung für mich. Vieles hat mich dort schockiert, ich hatte oft Heimweh, aber ich habe das Austauschjahr durchgezogen. Meine erste Gastfamilie ernährte sich ausschließlich von Fastfood, und alle Kinder zogen, als sie in meinem Alter waren, von zuhause aus und bekamen bald darauf schon eigene Kinder. In meiner zweiten Gastfamilie waren traditionelle Geschlechterrollen sehr fest verankert. Da habe ich zum ersten Mal bewusst die Bedeutung von Gleichberechtigung verstanden, da habe ich erkannt, dass die Gleichberechtigung, die in meiner Familie üblich war, nicht selbstverständlich ist.

Zurück in Europa studierte ich Medizin und Psychologie in Innsbruck, war sportlich sehr aktiv. Irgendwann habe ich begonnen, im Happy Fitness zu trainieren, wo ich heute das Marketing verantworte. Hier erlebe ich leider, dass Frauen oft von ihren Partnern in ihren Entscheidungen eingeschränkt werden, wenn sie bei uns trainieren oder arbeiten möchten. Diese Männer finden, dass das Umfeld zu freizügig sei, und wollen, dass ihre Partnerin zum Beispiel in ein Frauenstudio gehe.

Veränderungen dauern. Aber sie sind möglich.

Bei uns ist auch noch in vielen Bereiche Gleichberechtigung ein Fremdwort. Man kann sich gar nicht vorstellen, was oft hinter verschlossenen Türen los ist. Das habe ich vor allem durch meine Arbeit als Medizinerin erfahren. Bei Arztgesprächen sprechen dann oft die Männer für ihre Frauen, obwohl die wunderbar für sich selbst sprechen könnten.

Ich habe kürzlich die Ausbildung zur landwirtschaftlichen Facharbeiterin gemacht, aus reinem Interesse. Dort habe ich viele, sehr tolle Frauen kennengelernt, die mir erzählt haben, dass daheim der Papa dem Sohn den Hof übergeben wollte, und der aber nicht will. Und jetzt übernehmen sie, die Töchter, und fangen bei Null an, weil ihnen früher nichts dazu beigebracht wurde. Als Jägerin bewege ich mich auch regelmäßig in einer totalen Männerdomäne – inzwischen sind wir aber in meinem Dorf drei Jägerinnen, das ist schon was.

„Die Karrierefrau hat keine Kinder“

Ich bin 43 und habe keine Kinder. Ich möchte ganz klar betonen: Das war keine bewusste Entscheidung, das hat sich so ergeben. Als Frau wird man dann gleich in eine Schiene gedrückt – „Die Karrierefrau hat keine Kinder.“ Obwohl sie nicht wissen, weshalb man keine Kinder hat. Und trotzdem muss ich mich mehr beweisen, um für einen Job als qualifiziert gesehen zu werden. Doch es bewegt sich auch was: Ich kenne Paare, in denen der Mann den Großteil der Kinderbetreuung und Hausarbeit übernimmt, weil der Beruf seiner Frau einfach wichtiger ist als seiner. Und das funktioniert super.

Was ich mir wünsche

Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der Frauen wirklich gleichberechtigt sind, in der Geschlechterrollen aufgelöst werden, und in der Frauen sich gegenseitig unterstützen und motivieren, sich nicht gegenseitig Steine in den Weg legen. Und dass wir da auch keine Rückschritte machen, sondern dass die nächste Generation das, was in den letzten Jahren hart erkämpft worden ist, nicht als selbstverständlich sieht und versucht, daran anzuknüpfen. Rückschritte können immer passieren. Dessen muss man sich bewusst sein!

Oktober 2023

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