STEPHANIE

„Einer jungen Frau*, die in die Politik will,
würde ich sagen: Go for it!“

Stephanie Porträt

In meiner Kindheit gab es nie eine patriarchale Vaterfigur, meine Eltern haben sich getrennt, als mein Bruder und ich 2 Jahre alt waren. Meine Mutter war von da an Alleinerzieherin und für mich war das völlig normal, ich kannte nichts anderes. Für meine Mama war es sicher sehr herausfordernd, sie hat als Sekretärin und in verschiedenen Nebenjobs zusätzlich gearbeitet und es geschafft, dass es uns nie an etwas gefehlt hat. Ich habe von Anfang an gelernt, selbständig zu sein, mit Geld umzugehen und dass Konsum nichts ist, was glücklich macht. Bis wir vier Jahre alt waren, haben wir unseren Papa regelmäßig besucht, dann hat er den Kontakt zu uns unterbrochen. Einige Jahre später haben wir erfahren, dass unser Papa eine Trans*Frau ist. Dass diese Lebensform in unserer Gesellschaft Platz hat, war für uns gleich völlig klar. Dementsprechend easy war danach mein eigenes Coming Out als Frauen* liebende Frau*.

Vor meinem Studium wollte ich eigentlich bereits in die Polizeischule. Ich wurde aber nicht aufgenommen, weil ich die notwendigen sieben Liegestütze nicht geschafft habe! (lacht) Stattdessen habe ich dann Jura studiert. Der Gedanke an die Polizeischule hat mich aber nicht losgelassen, und so habe ich es nochmal versucht und den Sporttest gut vorbereitet, problemlos geschafft. In der Polizeischule bin ich dann zum ersten Mal in meinem Leben auf patriarchale Strukturen gestoßen, das war schon ein Kulturschock für mich. Nach einem Monat habe ich es wieder gelassen und bin als Juristin zurück in die Landeverwaltung gegangen. Trotzdem dachte ich, es muss noch etwas anderes geben, das ich machen könnte.

Politik – Why not?

So kam es, dass ich den Kontakt zu den Grünen gesucht, eine Gemeindegruppe gegründet und mich gleich sehr engagiert habe. Als dann die Landtagswahlen 2018 nahten, fragten mich mehreren Personen, ob ich nicht kandidieren möchte. Ich dachte mir: Why not? Dass ich Landtagsvizepräsidentin geworden bin, lag unter anderem an der Unterstützung eines Parteikollegen, der starke feministische Überzeugungen hat. Ich habe schon gemerkt, dass es von den Politiker:innen anderer Parteien anfangs Skepsis mir gegenüber gab. Nachdem sie mich kennengelernt haben, hat sich das aber schnell gewandelt.

Eine Frau* in der Politik zu sein hat Vor- und Nachteile. Momentan wollen alle Frauen* in die Politik holen und fast immer sieht man auch, dass diese dann sehr gute Arbeit leisten. Die notwendigen Strukturen haben sich aber bisher einfach nicht mitentwickelt. Zum Beispiel ist es für Frauen* viel schwieriger, sich in den Medien zu profilieren. Die Gewinnerthemen werden auch noch überwiegend von Männern* präsentiert. In der aktuellen Tiroler Regierung gibt es eine Geschlechterparität, das ist wirklich positiv hervorzuheben. Die aktuellen Club-Obleute sind aber rein männlich besetzt ist, und auch die  Spitzenkandidat:innen für den Herbst sind überwiegend männlich, das ist schade.

Grundsätzlich ist politische Arbeit nicht sehr familienfreundlich. Der Beruf ist aber auch sehr flexibel. Es hängt viel davon ab, welchen Anspruch man an sich selbst stellt. Wesentlich ist das eigene Team, das muss dich voll und ganz unterstützen. Ich fürchte schon, dass Frauen*, vor allem in Tirol, sehr viel Kritik ernten, wenn sie mit kleinen Kindern einen intensiven Job wie ein politisches Amt, annehmen. Darum war in dieser Legislaturperiode für mich die 1-jährige Karenzierung für Abgeordnete ein großer Meilenstein. Sie gilt sowohl für Mütter als auch für Väter.

Einer jungen Frau*, die in die Politik will, würde ich sagen: Go for it! Es ist ein echt toller Job, in dem man jeden Tag unglaublich viel lernt. Mein Rat wäre: Knüpfe Netzwerke und such‘ dir ein gutes Team, mit dem du gerne arbeitest. Finde eine erfahrene Politikerin als Mentorin, die dich begleitet und dir Tipps geben kann. Beende trotzdem eine Berufsausbildung, damit du nicht finanziell von deiner politischen Position abhängig wirst. Für mich ist Politik kein Job, den man sein ganzes Leben lang macht.

Faire Strukturen und gleiche Möglichkeiten

Gleichberechtigung bedeutet für mich Strukturen so zu gestalten, dass alle die gleichen Chancen haben.Da liegt noch viel Arbeit vor uns, egal ob in der Arbeitswelt und Politik oder in privaten Freundeskreisen. Ich sehe Quoten als derzeit notwendige Maßnahme auf einem Weg dorthin. Die Frauen*, die unter den aktuellen, noch sehr schwierigen Bedingungen Verantwortung übernehmen, sind für mich echte Heldinnen. Das Bewusstsein und das Bemühen ist in vielen Parteien bereits vorhanden. Es tut sich was!

Meiner Meinung nach ist der größte Hebel für eine gleichberechtige Gesellschaft, wenn ein Kinderbildungsplatz so selbstverständlich wird wie ein Volksschulplatz. Ich habe noch nie gehört: „Die böse Mutter schiebt ihr Kind in die Volksschule ab.“ Oder: „Es gibt für dieses Kind keinen Volksschulplatz.“ Das muss einfach für die Jahre davor auch schon normal werden.

Juli 2022

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